Milliarden-Korruption – Mord Am Treuhandchef Rohwedder & Die Toten Vom Töpferhof

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Am 1. April 1991, wurde Dr. Detlev Karsten Rohwedder, der Chef der Treuhand, in seinem Haus in Oberkassel ermordet. Seine Frau wurde durch einen weiteren Schuß schwer verletzt. Bis heute sind die Täter nicht gefunden, Hintermänner nicht genannt, der Mord ungesühnt.

Eine Fernsehdokumentation hat die Hintergründe dieses Terrormordes neu aufgerollt und unbequeme Fragen gestellt. In dem WDR-Feature: Wer erschoß den Treuhandchef? Neue Spuren im Mordfall Rohwedder verfolgen die beiden Autoren Werner Czaschke und Clemens Schmidt die These, daß Stasi-Seilschaften, die Vermögen in Milliardenhöhe in die eigene Tasche verschieben wollten und deren Machenschaften Rohwedder auf der Spur war, ein Motiv hatten, den Treuhandchef zu ermorden.

Noch am Gründonnerstag 1991, vier Tage vor den tödlichen Schüssen, hatte Rohwedders Ehefrau um verstärkten Polizeischutz gebeten. “Hier zieht sich etwas zusammen”, klagte sie bei der Düsseldorfer Polizei – vergeblich. In den Wochen vor der Tat hatten sich die Morddrohungen gegen ihren Mann gehäuft: Anonyme Briefschreiber und Anrufer meldeten sich.

Am Karfreitag wird auf die Berliner Treuhandfiliale an der Schneeglöckchenstraße ein Brandanschlag verübt. Verantwortlich dafür bekennt sich eine Gruppe mit dem Namen “Thomas Münzers wilder Haufen”. Entscheidend dabei ist, daß Rohwedders Name in dem Bekennerschreiben erwähnt ist, diese Information aber nicht rechtzeitig an die für Rohwedders Sicherheit zuständigen Dienststellen gelangt.

In Berlin hatte Rohwedder Sicherheitsstufe 1, in Düsseldorf wurde ihm jedoch nur Stufe 2 gegeben. Im Rahmen der Schutzmaßnahmen hatte man nur die Fenster im Erdgeschoß seines Hauses mit Panzerglas versehen, nicht aber im ersten Stock. Ein fataler Fehler.

Schon seit geraumer Zeit wurden damals von Altkadern der SED, aber auch verstärkt in der allgemeinen Öffentlichkeit, die wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Wiedervereinigungsprozeß zu Unrecht der Treuhand und speziell ihrem Vorsitzenden Rohwedder angelastet; besonders die giftigen Angriffe aus den Gewerkschaften und seiner eigenen Partei, der SPD, verletzten Rohwedder sehr.

Im Ausland, insbesondere in Großbritannien und von französischen Kreisen um Mitterrand, wurde seit dem Fall der Mauer das Gespenst des “Vierten Reichs” an die Wand gemalt. Im Juli 1990 – nach der deutschen Währungsunion und im Blick auf die von Kohl betriebene Europäische Währungsunion – hatte der britische Industrieminister Nicholas Ridley im Spectator Äußerungen getan, die so empörend waren, daß er seinen Hut nehmen mußte. Allerdings hatte Ridley nur öffentlich ausgesprochen, was viele der geopolitisch fixierten Eliten dachten: Die deutschen Vorstöße in Richtung einer Europäischen Währungsunion seien “ein verbrecherisches deutsches Unterfangen zur Übernahme ganz Europas. Das muß vereitelt werden. Diese übereilte Machtübernahme der Deutschen auf der schlimmstmöglichen Grundlage, wobei die Franzosen sich den Deutschen gegenüber wie Pudel benehmen, ist absolut unerträglich. Ich bin nicht prinzipiell dagegen, Souveränität abzutreten, aber nicht an dieses Pack. Dann hätten wir sie, offen gesagt, gleich an Adolf Hitler abtreten können.”

In dieser innen und außen aufgeputschten Stimmungslage traf der Mordanschlag, anderthalb Jahre nach der Ermordung des Chefs der Deutschen Bank Alfred Herrhausen, den entscheidenden Mann, der mit größter Leidenschaft einen sozialverträglichen Umbau der verrotteten DDR-Wirtschaft angepackt hatte. Erst nach Jahren wird wirklich deutlich, daß der gewaltsame Tod der beiden herausragenden Männer nicht nur eine für die gesamtdeutsche Entwicklung unersetzliche Lücke gerissen hat, sondern auch den Niedergang der deutschen Industrieelite massiv beschleunigte.

Am 16. November 1989 traf Rohwedder, damals Chef des Stahlriesen Hoesch, Professor Albert Jugel aus Dresden, der ihm in einem langen Gespräch schonungslos die wirtschaftliche Lage der DDR darstellt und ihn um Hilfe bittet, u.a. beim Aufbau eines Technologieparks in Dresden. Rohwedder bildet in seinem Unternehmen eine Arbeitsgruppe Deutschland (“Chefsache”). Jugel notiert sich: “Dr. Rohwedder bildet unter seiner persönlichen Leitung ab 20.11.89 eine konzerninterne AG DDR-Kooperation zur Umsetzung der vorgeschlagenen Zusammenarbeit. Er beabsichtigt, am 18.12.1989 zu weiteren Kooperationsgesprächen nach Dresden zu kommen.”

Jugel faßt die Gespräche zusammen und übergibt dieses Papier dem damaligen Ministerpräsidenten der DDR Hans Modrow. U.a. schreibt er: “Es wurden erörtert Möglichkeiten der Lohnarbeit von DDR-Betrieben für Hoesch sowie Kapitalbeteiligungen von Hoesch in der DDR. Dr. Rohwedder sagte hier jede erdenkliche Unterstützung zu, falls der demokratische Prozeß in der DDR in Richtung einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft läuft… Verlagerung in die DDR ist einfacher und billiger als Aufbau von Kapazitäten in Portugal.”

Am 16. Dezember 1989 wird in Dresden der Grundstein für das Technologiezentrum gelegt. Einen Tag später trifft Rohwedder – er ist mit Sohn Philipp und seinem Freund Lothar Loewe auf einer Wanderung “auf den Spuren des Siebenjährigen Krieges” – einen Vertreter des oppositionellen Neuen Forums. Das nächtliche Gespräch vermittelt ihm für die zukünftige Treuhand-Arbeit unersetzliches Wissen und Gespür für die Umbruchslage.

Am 1. März 1990 wird die Verordnung zur “Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften” im DDR-Ministerrat verabschiedet und die Gründung einer Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums beschlossen; vier Tage nach Beginn der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion der beiden deutschen Staaten wird Rohwedder am 4. Juni 1990 zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Treuhandanstalt berufen. Zum Präsidenten der Treuhand wird wenige Tage später Bundesbahnchef Dr. Reiner Maria Gohlke ernannt, der aber bereits am 20. August das Handtuch wirft. Am 29. August wird Rohwedder Präsident der Treuhandanstalt.

In seiner Rede vor der Volkskammer hatte Rohwedder etwas für ihn sehr Typisches gesagt: “Erst kommen die Menschen, dann die Paragraphen.” Damit begründete er seine Absicht, gegen das Treuhandgesetz zu verstoßen und keine branchenübergreifenden Aktiengesellschaften in den zukünftigen neuen Bundesländern aufzubauen. Erste Zwischenbilanz: 8000 VEBs sind umgewandelt in AGs und GmbHs. Am 3. Januar 1991 sind von den knapp 8000 Betrieben 500 privatisiert.

Man hätte sicher keinen besseren Manager für die größte Industrieholding der Welt finden können als Rohwedder. Aufgewachsen im thüringischen Gotha, hat er dann im Westen Deutschlands 16 Jahre in politischer Verantwortung gestanden. 1972 wurde Rohwedder Mitglied der SPD, bei den Ministern Schmidt, Friedrichs und Lambsdorff stand er als Staatssekretär in Diensten. 1979 übernahm er den Job bei Hoesch und sanierte Anfang der 80er Jahre erfolgreich die krankende Stahlindustrie

Später meinte Rohwedder zu diesem Umgestaltungsprozeß im Kontext der wegbrechenden Ostmärkte (immerhin waren von den 4 Mio. Jobs, über die er zu entscheiden hatte, 1,5 Mio. vom Ostexport abhängig): “Ich habe eine hundertprozentige Privatisierung nie für möglich gehalten. Viele Unternehmen würden mit einer hohen staatlichen Beteiligungsquote aus dem Privatisierungsprozeß hervorgehen… Eine reinrassige, gedanklich saubere und schnörkellose Marktwirtschaft” sei für Rohwedder im Osten nicht denkbar, war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen.

Solche Grundüberzeugungen – ähnlich wie die von Alfred Herrhausen kurz vor seiner Ermordung vorgeschlagene Entwicklungsbank für Polen (einschließlich begrenzter Schuldenmoratoria) – stießen auf erbitterten Widerstand geopolitisch fixierter Kreise der Finanzoligarchie. Typische Kritik kam z.B. von der britischen Unternehmensberatung Economic Finance LTD, die den “Dilettantismus”, “die Etablierung neuer, westlich orientierter Seilschaften” und “brutales Eigeninteresse” der Deutschen monierte. Economic-Finance-Geschäftsführer Peter Stähli beklagte sich, daß britische Investoren im Osten Deutschlands nicht so recht zum Zuge kämen. Solche Angriffe nutzten meist das wohlfeile Argument, insbesondere würden Bürokratismus und Hindernisse wie die Frage der Übernahme ökologischer Altlasten neue Investitionen hemmen.

Die Probleme waren Rohwedder durchaus bewußt. Er wollte von vorne herein sicherstellen, daß Korruption und Seilschaften unmöglich, zumindest eingedämmt wurden. In einer Vorstandssitzung sagte er: “Hier wird mit härtesten Bandagen gefochten. Hier wird, was die Treuhandanstalt und die Verwirklichung kommerzieller Interessen angeht, nun aber auch wirklich jede Scham beiseite gelegt. Manche Leute nehmen sich gegenüber der Treuhandanstalt Unverschämtheiten heraus, die in Westdeutschland schlechthin unmöglich wären.” Dabei zielt er nicht nur auf die ostdeutschen Seilschaften ab: “Es gibt große Auswüchse an Wirtschaftskriminalität. Das sind aber alte und neue Seilschaften. Westdeutsche Geschäftemacher und alte Generaldirektoren. Das geht bis in die höchsten Etagen der deutschen Wirtschaft.”

Aus diesen Gründen sucht sich Rohwedder auch für seine Stabsstelle “Recht” den geeigneten Mann, der solche Korruption entdecken und bekämpfen soll: Staatsanwalt Hans Richter aus Stuttgart.

In dem WDR-Film wird Richter in einem Kommentar über den vier Tage vor dem Rohwedder-Mord erfolgten Anschlag auf die Berliner Treuhandfiliale zitiert: “Ein Anschlag auf dieses Büro eines solchen Bürgerbeauftragten, das waren renommierte unabhängige Persönlichkeiten, das ist abstrus gewesen. Und das ist es, was mich damals dazu gebracht hat, daß… Leute, die verhindern wollen, daß Stasi-Seilschaften aufgedeckt werden, viel eher in Betracht kommen. Wir haben Anhaltspunkte dafür, daß bestimmte Unterlagen in dieser Niederlassung von Interesse sein könnten für Leute, die eine Aufdeckung von Vermögensverschiebungen verhindern wollen.”

Der Film entwickelt die These, daß Rohwedder durch politischen Auftragsmord von bestimmten Stasi-Seilschaften umgebracht wurde, denen er das Handwerk legen wollte: “Fest steht: In der Endphase des SED-Staates haben ehemalige DDR-Wirtschaftskreise einen Großteil des alten Staats- und Parteivermögens beiseite geschafft und in alten DDR-Betrieben versteckt. Insgesamt geht es um rund sechs Milliarden Mark. Rohwedder hatte dieses System der Schiebung und der Geldwäsche durchschaut und bereitete Schritte vor, um effizient gegenzusteuern. Er wollte verhindern, daß verdächtige Firmen von alten Seilschaften weitergeführt werden, und bot diese Betriebe statt dessen auf den internationalen Märkten an.”

Der Film zitiert dann erneut den Treuhand-Sonderermittler Hans Richter: “Ich denke, daß es die Stasi in dieser Zeit als Organisation nicht mehr gegeben hat. Aber es hat Gruppen gegeben, die eng mit der Stasi verbunden waren, in verschiedenen Wirtschaftsbranchen, die schon vorher mit dem Ausland zu tun gehabt haben, die ja ganz eng gehalten wurden, etwa die Außenhandelsbetriebe.” Unserer Auffassung nach kommt Richter damit einer wichtigen Spur näher, die aber der Film nicht wirklich substantiiert.

Die WDR-Autoren fokussieren auf einen geheimen Treffpunkt an der damaligen Grenze der DDR zu Bayern, Römhild. Sie beziehen sich dabei auf Recherchen des Bürgerrechtlers und Stasi-Auflösers Hans Schwenke. 1995 hat Schwenke unter dem Titel: Die Spur der Toten oder Der geordnete Rückzug einige seiner Vermutungen über die Rolle der Treffen auf dem Töpferhof in Römhild niedergeschrieben. Mit Recht verweist er auf die Tatsache, daß die Regierung und interessierte Kreise Versuche, die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Ost und West seit dem Krieg aufzudecken, meist blockieren oder unterlaufen. Darum erfreuen sich Schlüsselfiguren im Ost-West-Geschäft wie Schalck-Golodkowsky oder auch Richard “Moneten”-Müller eines feinen Lebens im Westen, zum Ärger des Normalbürgers.

Schwenke beschreibt den interessanten Umstand, daß sich laut Aufzeichnungen der Sekretärin des Kombinatsdirektors Gramann (beide zur Unzeit MYSTERIÖS verstorben BEVOR SIE VOR DEM BUNDESTAG AUSSAGEN KONNTEN) auf dem Töpferhof seit Mitte der 80er Jahre eine illustre Gesellschaft traf: mal Alexander Schalck-Golodkowsky, Markus Wolf, Wolfgang Berghofer und mal andere DDR-Prominente. Schwenke wirft die Frage auf: “Welche Rolle spielten die Kontakte dieser Prominenz zu Emissären aus Nahost, Zypern und Griechenland, oder Österreich, Schweiz, Niederlanden oder auch aus der Bundesrepublik?”

Den Bürgerrechtlern, schreibt Schwenke, wurde nach der Wende erzählt, bei dem Töpferhof handele es sich um eine Agentenschleuse, man zeigte ihnen ein “Schminkstudio” und “geheimnisumwitterte” Bunkeranlagen und verwies auf Besuche von Günter Guillaume und Ursel Lorenzen (alias Topas). Ein Papier, das über eine Unternehmensgründung Auskunft gibt, an der die Koko-Firma INTRAC und Töpferhof beteiligt sind, “blieb achtlos liegen”. Ein interessanter Hinweis auf ein dunkles Kapitel des internationalen Waffenkartells im KoKo-Netz von Schalck-Golodkowskys Mann Ottokar Hermann.

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