BUCH-TIP: NS-Verbrecher und Staatssicherheit Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR

Henry Leide

NS-Verbrecher und Staatssicherheit

Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR

Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Band 28
3. Auflage 2007
448 Seiten, gebunden
29,95 € [D]
ISBN 978-3-525-35018-8

Kurzinformationen

NS-Täter und Stasi – die dunkle Kehrseite des DDR-Antifaschismus.

Ausführliche Informationen

Bis heute gilt die konsequente Verfolgung von NS-Tätern als »gute Seite« des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Doch hinter der Fassade des antifaschistischen Musterstaats wurde ein sorgsam verhülltes, doppeltes Spiel gespielt: SED und Staatssicherheit prangerten die Bundesrepublik an und lieferten Fälle für Vorzeigeprozesse, aber zugleich stellten sie Ermittlungen gegen NS-Täter hintan, wenn sie dem Image der DDR zuwiderliefen.
Henry Leide analysiert systematisch die Formen dieser Politik: Anwerbungen von früh amnestierten oder nie verurteilten NS-Verbrechern als Informanten und Agenten in Ost und West, mangelhafte Ermittlungen gegen Hunderte belastete DDR-Bürger, vereitelte Strafverfahren gegen angesehene DDR-Ärzte und verweigerte Rechtshilfe für die ausländische Justiz bei gleichzeitiger Monopolisierung vieler Akten durch die Geheimpolizei. In dieser Praxis entpuppt sich der DDR-Antifaschismus als instrumentelles Kampfprogramm in der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz.

Rezensionen

»Aufklärung im besten Sinn: kühl analysierend, faktenbezogen, Anklagen vermeidend – und gerade deshalb überzeugend.«

Norbert Jachertz, Deutsches Ärzteblatt
»Henry Leides Demontage der DDR als Heimstatt des Antifaschismus ist eine immense Fleißarbeit auf breiter Quellengrundlage, kompetent und überaus aufschlussreich.«

Udo Scheer, Das Parlament
»Dem ehemaligen DDR-Bürger Henry Leide ist mit ›NS-Verbrecher und Staatssicherheit‹ ein großer Wurf gelungen.«

Karl Pfeifer, Illustrierte Neue Welt
»Leides Arbeit über die Ermittlungsarbeit des Staatssicherheitsdienstes gegen NS-Verbrecher ist seit Joachim Walthers ›Sicherungsbereich Literatur‹ die wohl wichtigste von der Gauck/Birthler-Behörde vorgelegte Untersuchung.«

Jochen Staadt, FAZ
»Leides Band, exzellent dokumentiert und sachlich geschrieben, gehört zu den wichtigsten politischen Büchern des Jahres.«

Sven Felix Kellerhoff, Die Welt
»Leides Untersuchung ist eine der herausragenden Arbeiten aus dem Hause der ›Gauck-Birther-Behörde‹.«

Armin Wagner, Deutschland Archiv
»Sie [die Arbeit] wird künftig als Standardwerk zu einem besonders düsteren Kapitel der DDR-Geschichte zu gelten haben.«

Clemens Heitmann, Militärgeschichtliche Zeitschrift
»Mit Henry Leides wissenschaftlicher Dokumentation … erhält die Demontage der DDR-Antifaschismuslegende eine neue Dimension.«

Udo Scheer, Zeitgeschichte regional
»Die von Leide mit aufklärerischem Duktus und großer Akribie dargestellte Verfolgung wie Nichtverfolgung von NS-Verbrechen in der DDR verdient Anerkennung und Respekt. Das Buch bietet eine Fülle an Informationen und viel Diskussionsstoff.«

Kurt Schilde, IWK – Internatonale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der Arbeiterbewegung
»… because of this outstanding work, we must now completely rethink our ideas of East Germany as the antifascist state.«

Gary Bruce, Journal of modern history

Inhalt

Einleitung
Zeitrahmen und Aufbau
Literatur und Quellen

I
Die Rolle der Staatssicherheit im deutsch-deutschen und internationalen Kontext

1 Vom Kriegsende bis zu den Waldheimer Prozessen – die Vorgeschichte bis 1950
– Alliierte Strafverfolgung
– Alliierte Rekrutierungen
– Internierung und Entnazifizierung
– Dezernate K5 und der Befehl 201
– Die Waldheimer Prozesse

2 Stille Integration und die Aktivitäten des MfS 1950 bis 1958
– NSDAP-Mitglieder in der frühen DDR
– Die Beteiligung des MfS an der Strafverfolgung 1950 bis 1956
– Anfänge der IM-Werbung
– Die Anwerbung von Amnestierten und Haftentlassenen
– Die Perspektive der Opfer

3 Kampagnen und Prozesse 1958 bis 1968
– »Was Bonn verdeckte – die DDR deckte es auf« – Die Propaganda-Kampagnen
– Wechselwirkungen: Westliche Rechtshilfeersuchen, das RSHA-Verfahren und die Verjährungsdebatte 1963 bis 1965
– Aktion Konzentration 1965
– Ausbau der MfS-Diensteinheiten
– Absicherung des Rechtshilfeverkehrs

4 Ermittlungen und Strafverfolgungspolitik der siebziger und achtziger Jahre
– »Strukturverfahren« der HA XX/2/III
– Behandlung von in Frankreich verurteilten Kriegsverbrechern
– Der Fall Heinz Barth

II
Das MfS als Aktensammler

1 Anfänge ab 1945
– Die Pressestelle II im Polizeipräsidium Berlin
– Die Personalpolitische Abteilung beim SED-Parteivorstand
– Die Aktensammlung der K 5

2 Die Rolle der Sowjetunion
– Die Beschlagnahme deutschen Archivguts durch die Rote Armee
– Rückgabe der Archivalien durch die UdSSR an die DDR

3 Systematischer Ausbau der Bestände seit den sechziger Jahren
– Aufbau des Sonderspeichers der HA IX/11
– Munitionslieferant für die geheime SED-Kirchenpolitik: Das Referat Familienforschung im Deutschen Zentralarchiv Potsdam
– Erste Auswertungen und Übernahmen aus anderen Archiven
– Die Aktion »Licht«
– Die Bildung der Dokumentationsstelle des Ministeriums des Innern 1964
– Fortgesetzte Bestandsergänzungen

4 Aktenbeschaffung und Verfilmungsaktionen in sozialistischen Bruderländern
– Polen
– UdSSR

III
Fallstudien

1 Zum Umgang mit NS-Belastungen im hauptamtlichen Personal des MfS

2 Anwerbungen und Anwerbungsversuche als inoffizielle Mitarbeiter
– V-Mann in neuen Diensten – Paul Reckzeh
– Sächsische Gestapobeamte als »Kundschafter für den Frieden«? Anwerbungsversuche bei Otto Boden, Hellmut Grafe und Franz Bienert
– Ein SD-Außenstellenleiter im Dienst des MfS –
Erwin Rogalsky-Wedekind
– Eine Polizeikarriere in zwei Diktaturen – Heinrich Groth
– SS-Bürokrat aus dem Reichssicherheitshauptamt – Kurt Harder
– Gestapo- und SD-Leute im Bezirk Leipzig – der Vorgang »Geheimnis«
– Der Kommunistenjäger – Willy Läritz
– Der »volksdeutsche« Dolmetscher Franz Schilling
– SS-Einsatzgruppe D – MfS-Informant – Todesurteil: Johannes Kinder
– Politische Abteilung des Konzentrationslagers Auschwitz – Josef Settnik
– Der Wachposten – August Bielesch
– Hauptscharführer im SS-Sonderkommando – Erich Mauthe
– Der Arisierer – Helmut Wagner
– »Nicht an größeren verbrecherischen Handlungen beteiligt« – der Gestapobeamte Wilhelm Stahl
– Späte Anwerbung unter »Druck« – Johannes T.

3 NS-Belastete im Westeinsatz
– Vom Judenjäger in Frankreich zur Parteiaufklärung der SED – August Moritz
– Der Schreibtischtäter – Lothar Weirauch
– SD-Außenstellenleiter und West-Ost-Überläufer – Ernst Schwarzwäller
– Der Brandstifter – Hans Sommer
– Eine Verwechslung – ein Westberliner Rechtsanwalt wird verdächtigt, hoher Gestapo-Führer gewesen zu sein
– Gefängnisverwalter im SS-Sonderkommando: Paul Walter

4 Mangelnder Verfolgungswillen bei »Euthanasie«-Tätern
– Ein westdeutscher Professor und sein ostdeutscher Oberarzt: Werner Catel und Hans-Christoph Hempel
– Rückwirkungen des westdeutschen Heyde-Sawade-Prozesses: Die Ärzte Otto Hebold, Herbert Becker, Gerhard Wischer und Günther Munkwitz
– »Ein unseren gesellschaftlichen Verhältnissen widersprechendes Ergebnis« – Ärzte der Landesheilanstalten Stadtroda: Johannes Schenk, Margarete Hielscher, Rosemarie Albrecht
– Die MfS-Prozesspolitik im westdeutschen Euthanasieverfahren 1967

5 Verweigerte Rechtshilfe und Vertuschungen
– Rückwirkungen der Kampagnenpolitik – Auschwitz-Belastete in der DDR
– Stillhalten nach SS-Einsatz – Variante West: Georg Heuchert
– Stillhalten nach SS-Einsatz – Variante Ost: Karl Mally
– In Frankreich in Abwesenheit verurteilt, in der DDR vor Verfolgung geschützt: Heinz Helemann
– »Die wenigen Überlebenden sind der einstimmigen Auffassung, dass ›Bernhard‹ eine schreckliche Bestie ist« – Dr. Harald Heyns alias Dr. Herbert Monath-Artz

6 Die Kehrseite der Kehrseite – NS-Opfer und die verdeckte Integrationspolitik
– Opfertraumatisierung und Täterintegration:
– Die Einsamkeit eines ehemaligen Auschwitzhäftlings
– Ein Auschwitz-Häftling im Visier des MfS
– Gerhard Löwenthal, sein Überleben im Dritten Reich und das Ministerium für Staatssicherheit
– Weitere Widersacher – Simon Wiesenthal, Robert Havemann
– Instrumentalisierung der Vergangenheit im Kampf gegen die westdeutsche Sozialdemokratie

Resümee: Die geheime Vergangenheitspolitik von SED und MfS zwischen Systemkonflikt und Antifaschismus

Danksagung

Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Personenregister