Der Beweis: Erpressungen von “GoMoPa” – geschildert in der Süddeutschen Zeitung vom 3.9.2010

 

SZ_03.09.2010_Am_virtuellen_Pranger

 

Am virtuellen Pranger
Dubiose Anlegerschützer verleumden Finanzfirmen im Internet. Wer kein Schutzgeld zahlt, für den wird es unangenehm
Erpressung im Internetzeitalter: So manches Unternehmen wird im Netz an den Pranger gestellt, obwohl es nicht gegen das Gesetz verstoßen hat. Die Verleumder
behaupten naturgemäß das Gegenteil.

Von Markus Zydra
Frankfurt – Lars Bergmann hat Angst
umseinen Ruf, denn sein Umfeld ist misstrauisch:
Unter Mitarbeitern, Vertriebsleuten
und Kunden fragt sich mancher,
ob bei Bergmanns Firma Immovation alles
koscher ist. Auch im Freundeskreis
wird gemunkelt. „Natürlich vertrauen
die mir, aber es bleibt immer etwas hängen“,
sagt der Vorstandschef, der Sparern
Immobilienbeteiligungen verkauft.
Lars Bergmann wird im Internet verleumdet.
Er sei ein Hochstapler, muss
Bergmann in Foren und redaktionellen
Beiträgen lesen. Er stehe vor der Pleite
und würde seine Kunden abzocken, die
Finanzaufsicht und die Staatsanwaltschaft
hätten ihn imVisier. „Das ist kompletter
Unsinn“, schimpft Bergmann
undmachtmit seiner Hand den Scheibenwischer.
Man fragt sich, ob der Jurist aus
Wut schon einmal einen Computerbildschirm
zertrümmert hat.
Natürlich könnten Bergmann und sein
Vertriebsvorstand Matthias Adamietz
die virtuelle Welt ignorieren und den PC
abschalten. Das haben sie auch gemacht,
damals, als es anfing, vor rund anderthalb
Jahren. Aber die reale Welt googelt,
bevor sie Geschäfte abschließt, fast jeder
forscht nach Referenzen, die von der
Suchmaschine in Sekundenbruchteilen
angezeigt werden. Ganz oben auf der
Google-Trefferliste stehen die Vorwürfe.
„Da sitzen sie vor dem Bildschirm und
lesen, wir hätten Provisionen eingesackt“,
sagt Adamietz. „Ich weiß, dass es
nicht stimmt, aber es steht überall im
Internet.“ Man stellt sich Adamietz vor,
wie er ganz dicht vor dem Computerbildschirm
sitzt, die Verleumdungen direkt
vor der Nase und doch so unerreichbar:
„Damit soll unsere Existenz vernichtet
werden“, sagt er.
Die Onlinewelt hat ihre Tücken. Gehässigkeiten
sind schnell ins Internet gestellt,
sie wieder auszumerzen dauert länger,
viel länger. Bergmann legt einen anonymenErpresserbrief
auf den Tisch. Darin
droht ein „George Orwell“ mit der
Enthüllung weiterer dunkler Machenschaften
von Immovation, es sei denn die
Firma bezahle 35 000 Euro. Für diese
Summe würde man die rufschädigenden
Beiträge löschen, und zwar auf den Internetseiten
„Gomopa.net“ und „Akte-
Heinz-Gerlach.info“.
Die Internetseite Akte-Heinz-Gerlach
polemisiert bis heute gegen den kürzlich
verstorbenen, zu Lebzeiten umstrittenen
Finanzexperten Heinz Gerlach. Die Autoren
schreiben scheinbar unter falschen
Namen, das Impressum fehlt. Es sind unsichtbare
Gegner, die Bergmann ein
Schneeballsystem unterstellen. „Der Server
der Akte Heinz Gerlach soll in der
Türkei stehen“, so Bergmann. „Schicken
sie da mal eine Unterlassungsverfügung
hin, viel Spaß.“
Der andere mutmaßliche Bösewicht
ist die Internet-Nachrichtenseite Gomopa.
Der Sitz der Firma ist New York, ihr
Chef Klaus Maurischat gibt in einem öffentlich
zugänglichen Lebenslauf als
Qualifikation auch seine Untersuchungshaft
an. Auf Gomopa schreibt als Pressechef
ein gewisser Siegfried Siewert – es
soll sich dabei um ein Pseudonym handeln.
In New York meldet sich auf Englisch
nur ein Anrufbeantworter, ohne Angabe
des Firmennamens Gomopa. In Berlin
unterhält die Firma ein Büro.
Gomopa hat behauptet, die österreichische
Finanzaufsicht FMA ermittle gegen
Immovation und habe dazu auch Zeugen
befragt – beides ist falsch, da, wenn überhaupt,
nur die Wiener Staatsanwaltschaft
solche Maßnahmen ergreift.
Die Wiener Behörde hat zwar gegen
Immovation ermittelt. Grund war eine
anonyme Anzeige. Darin werden anonym
Vertriebsmitarbeiter zitiert, die
von einem Schneeballsystem bei Immovation
sprechen. Die Ermittlung wurde
aber eingestellt. Auch die Staatsanwaltschaft
Kassel ging den Hinweisen nach
und stellte die Untersuchung ein.
Bergmann hat einen Verdacht, woher
die Anzeige kam. Sie wurde am Tag des
Ermittlungsbeginns vollständig auf der
Gomopa-Seite veröffentlicht. Adamietz
vermutet hinter dem Vorgang einen Konkurrenten,
der Gomopa mit der Rufmordkampagne
beauftragt habe.
Gomopa steht für Goldman, Morgenstern
& Partners. Die Herren Goldman
und Morgenstern arbeiten dort nicht,
aber der Firmenname scheint mit Bedacht
gewählt: Goldman kann Assoziationen
zur berühmten Investmentbank
Goldman Sachs erzeugen. AuchMorgenstern
klingt kraftvoll unbescholten. Gomopa
ist ein Setzkasten mit sorgsam gelegten
Reputationssteinchen. Auf der
Homepage steht, man kooperiere mit der
Deutschen Presseagentur (dpa). Das
klingt vertrauenswürdig, doch dpa teilt
mit, man habe Gomopa schon mehrfach
aufgefordert, das zu löschen.
Gomopa präsentiert sich als Anlegerschützer:
Man decke Betrugsfälle auf
dem grauen Kapitalmarkt auf. Im Juni
wurde der Wirtschaftsdetektiv Medard
Fuchsgruber als Kooperationspartner
präsentiert. Fuchsgruber sagte damals,
Gomopa habe ihm schon einige Male mit
wichtigen Informationen geholfen.
Felix Kretzschmar hält das alles für eine
geschickt aufgebaute Fassade. Der
33-Jährige arbeitet als Finanzkommunikationschef
für Atlantis, eine Schweizer
Firma, die Schatzsucher-Expeditionen finanziert.
„Abenteuerlustige Multimillionäre
investieren hier Kleinstbeträge“,
sagt Kretzschmar. Ja, ein solches Beteiligungskonzept
ist würdig, hinterfragt zu
werden. Gomopa äußerte Ende 2009 jedoch
einen Geldwäscheverdacht.
Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft
ordnete bei Atlantis daraufhin
den dinglichen Arrest von 649 000 Euro
an. Das Geld wurde eingefroren. Wenige
Wochen später hob das Landgericht
Frankfurt die Anordnung wieder auf,
auch weil Kretzschmar eine eidesstattliche
Versicherung abgab, in der er schwere
Vorwürfe erhebt: Ein gewisser Siegfried
Siewert habe ihn angerufen und nahegelegt,
einen PR-Vertrag mit Gomopa
in Höhe von 15 000 Euro abzuschließen.
„Dann hätte Atlantis Ruhe.“ Kretzschmar
habe ja gemerkt, wozu Gomopa fähig
sei. „Erst schaffen die ein Problem,
dann bieten sie an, es zu lösen. Für mich
sieht das wie Erpressung aus“, sagt
Kretzschmar. Er zahlte nicht.
Kretzschmar beschreibt den Ablauf
des Cyber-Terrors so: „Im Internetforum
stellt ein anonymer Schreiber den Ruf einer
Firma in Frage, dann greift Gomopa
das Thema redaktionell auf und publiziert
einen Artikel.“ Gleichzeitig würden
anonyme Strafanzeigen verschickt, die
Finanzaufsicht erhalte Anrufe mit Beschuldigungen
gegen die betroffene Firma.
„Irgendwann wird ermittelt und damit
scheinen sich die Bedenken bestätigt
zu haben“, sagt Kretzschmar. „Und Gomopa
winkt mit dem Beratervertrag.“
Gomopa-Geschäftsführer Maurischat bezeichnet
die Vorwürfe als haltlos.
Viele Firmen, so heißt es jedoch aus
der Branche, würden bezahlen, um sich
Schutz vor Verleumdung zu erkaufen.
Die Branche, in der Bergmann und
Kretzschmar unterwegs sind, nennt sich
grauer Kapitalmarkt. Grau bedeutet,
dass die Produkte kaum reguliert sind.
Es sind geschlossene Fonds, Genussrechte,
atypische Beteiligungen.
Grauer Kapitalmarkt bedeutet auch,
dass der Grat zwischen bloß schlechtem
und tatsächlich betrügerischem Angebot
schmal ist. Verbraucherschützer warnen
schon lange, doch deutsche Sparer verlieren
auf diesem Markt durch unseriöse Finanzgeschäfte
jährlich 20 Milliarden Euro,
so Schätzungen. Die Zeitschrift Finanztest
hat 2003 auch über Bergmann
negativ berichtet.
Über demGraumarkt liegt ein latenter
dauerhafter Verdacht, zumal es ruppig
zugeht zwischen Anbietern und Vermittlern.
Es stehen hohe Provisionen von
zehn Prozent und mehr auf dem Spiel.
Man schwärzt sich an, denn Zuträger
gibt es viele: rachsüchtige Ex-Mitarbeiter,
Konkurrenten, Neider. Das Vertrauen
der Anleger soll zerstört werden, damit
die Verzweifelten dann einen Rechtsbeistand
engagieren.
Der Berliner Anwalt Thomas Schulte
hat auch umfangreich gegen Immovation
gewettert. In einem Artikel der Fachzeitschrift
Der freie Berater unter der Überschrift:
„Produkte, die die Welt nicht
braucht“. Das Landgericht Hamburg verurteilte
ihn, dies künftig zu unterlassen.
Er unterschrieb die Unterlassungsverpflichtung
scheinbar ohne Reue.
Einfach Pech gehabt, mag er gedacht
haben. „Ich greife die Firmen böse an,
um ein paar Mandate zu kriegen“, gibt er
zu. 3500 Sparer haben bei Immovation
60 Millionen Euro investiert. Die Klagen
lohnen sich nur, wenn viele Mandanten
zusammenkommen. Das „Law-Hunting“
setzt ein, etwa durch Gründung
von Betroffenen-Gruppen: Es ist ein Millionengeschäft
für Kanzleien, die das
rücksichtslos angehen. „Natürlich habe
ich wohl auch schon Falsches gegen Firmen
behauptet, aber dann entschuldige
ich mich“, meint Schulte. Er beruft sich
auf die Meinungsfreiheit. Bei Gomopa,
so sagt Schulte, sei er ausgestiegen.
Immovation-Gründer Bergmann hat
nur noch ein Ziel: „Der verleumderische
Mist soll raus aus dem Internet.“ Das
Landgericht Berlin hat Gomopa in einer
einstweiligen Verfügung untersagt, weiterhin
zu behaupten, „auch der ehemalige
brandenburgische Justizminister
Kurt Schelter ist auf Bergmann hereingefallen“.
Das ist ein Teilerfolg, doch andere
mutmaßliche Verleumdungen stehen
noch im Netz.
Deshalb hatBergmann im März den bekannten
Wirtschaftsdetektiv Medard
Fuchsgruber engagiert. Der sollte dafür
sorgen, dass die Tiraden gegen Immovation
von den Gomopa-Seiten verschwinden
– das vorab bezahlte Honorar betrug
67 500 Euro. Im Juni gab Gomopa für
Bergmann völlig überraschend die Kooperation
mit Fuchsgruber bekannt. Ein
Vertrauensbruch, meint Bergmann. Immovation
hat Strafanzeige gegen denDetektiv
erstattet. Fuchsgruber erklärt, es
habe vom 26. April bis 28. Juli auf Gomopa
keinerlei neue Berichterstattung über
Immovation gegeben.
Auch mit der Justiz ist Bergmann unzufrieden.
Die Staatsanwaltschaft Berlin
hat das Ermittlungsverfahren wegen übler
Nachrede gegen den vermeintlichen
Gomopa-Mitarbeiter Siegfried Siewert
eingestellt, weil die Schuld als gering anzusehen
wäre und kein öffentliches Interesse
an strafrechtlicher Verfolgung bestünde.
Bergmann glaubt es kaum, als er
die weitere Begründung liest: „Die Einstellung
erscheint vertretbar, auch wenn
die Darstellung über das erlaubte Maß
an Übertreibung und Provokation hinausgegangen
sein sollte.“
„Ich weiß, dass es nicht stimmt,
aber es steht im Netz. Unsere
Existenz soll vernichtet werden.“