In der Affäre um die weltweite Ausspähung von Daten durch US-Geheimdienste machen große Internet-Unternehmen, aber auch Deutschland und die EU Druck auf die Regierung in Washington.
In einem sehr ungewöhnlichen Schritt forderte zunächst Google von der Regierung mehr Transparenz in Anfragen, die der nationalen Sicherheit dienen. Kurz darauf folgten Facebook und Microsoft. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und EU-Justizkommissarin Viviane Reding forderten von den USA Aufklärung über die Rechtsgrundlage der weltweitem Sammelwut.
Mit ihren offenen Briefen wollen Google, Facebook und Microsoft dem Eindruck entgegentreten, willfährige Helfer eines Überwachungsstaates zu sein. Die drei US-Unternehmen – ihrerseits führend bei Suchmaschinen, sozialen Netzwerken und Computer-Software – baten um Erlaubnis, den Umfang aller Anfragen nach Nutzerdaten öffentlich machen zu dürfen. Dies würde zeigen, dass das Unternehmen dem Staat keinen uneingeschränkten Zugang zu den Daten gewähre, erklärte Google. Andere Darstellungen seien “schlicht falsch”.
Die US-Sicherheitsbehörden greifen, wie zuerst die Zeitungen “The Guardian” und “Washington Post” berichtet hatten, im Rahmen eines “Prism” genannten Programms zur Terrorabwehr weltweit direkt auf unzählige Nutzerdaten von Internet-Konzernen zu. Es ist das wohl größte jemals bekanntgewordene Ausspäh-Programm. Massenhaft werden E-Mails, Fotos, Videos, Dokumente, Audio-Dateien kontrolliert. Außerdem werden in den USA Telefonate von Millionen Amerikanern abgehört.
Die Quelle für die Enthüllungen, der 29-jährige Edward Snowden, ist untergetaucht. In den USA wird darüber gestritten, ob er ein Held ist, der die Bürgerrechte verteidigt, oder ein Verräter, der büßen soll. Er war früher IT-Experte bei der CIA und arbeitete später für die Beratungsgesellschaft Booz Allen Hamilton, die wiederum dem Geheimdienst NSA nahesteht.
PRIVATSPHÄRE VERSUS NATIONALE SICHERHEIT
Die betroffenen Internet-Firmen haben nach geltender Rechtslage kaum eine juristische Handhabe gegen Aufforderungen der amerikanischen Geheimdienste zur Herausgabe von Kundendaten. US-Präsident Barack Obama verteidigte die Bespitzelungen zuletzt als maßvollen, aber notwendigen Eingriff in die Privatsphäre. Es sei notwendig zum Schutz der nationalen Sicherheit. Die Rechtsgrundlage dafür ist der “Patriot Act”. Das in Folge der Anschläge vom 11. September 2001 erlassene Gesetz schränkt die Bürgerrechte in den USA teilweise ein.
Betroffen sind aber auch unzählige Ausländer. Das Vorgehen der Obama-Regierung belastet daher schon jetzt seinen Besuch in Berlin in der nächsten Woche. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger forderte in einem Brief an ihren US-Kollegen Eric Holder Auskunft über die Rechtsgrundlage und die Anwendungspraxis der Spähaktion. Es gehe möglicherweise um einen massiven Zugriff auf Telekommunikationsdaten ohne Anlass, erklärte die FDP-Politikerin. Daher müsse jetzt dargelegt werden, inwieweit sich das Programm auch gegen europäische und deutsche Bürger gerichtet habe. Es sei gut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema beim Obama-Besuch ansprechen wolle.
Auch EU-Justizkommissarin Viviane Reding schrieb an Holder. In einem von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen Brief verlangt sie Auskünfte zu diesem und anderen US-Programmen mit Datensammlung, ebenso über die zugrundeliegenden US-Gesetze. Sie habe große Sorge, dass die US-Behörden in großem Umfang Daten von europäischen Bürgern abgerufen hätten, schrieb Reding.
Fast die Hälfte der Amerikaner ist dagegen der Meinung, dass die Überwachung in bestimmten Grenzen akzeptabel ist. Das geht aus einer Umfrage von Reuters und den Marktforschern von Ipsos hervor. Mehr als ein Drittel der befragten US-Bürger lehnten die Aktionen der Regierung aber kategorisch ab.
Unterdessen verklagte die Bürgerrechtsbewegung Aclu Mitglieder der US-Regierung. In der Klage heißt es, die massenhafte Sammlung von Kommunikationsdaten verletze das Recht der freien Meinungsäußerung und der Privatsphäre, die in der US-Verfassung garantiert seien. Das Justizministerium lehnte eine Stellungnahme ab. Es sei Zeit nötig, dies zu bewerten, hieß es.
