DIE WELT: “STASI-Seilschaften” in Cottbus attackieren die Pressefreiheit a la “GoMoPa”

Telefonterror, Bedrohung der Interviewpartner, diskreditierende Unterstellungen – in den vergangenen Monaten war die Chefreporterin der “Lausitzer Rundschau”, Simone Wendler, unzähligen Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Ihr Haus wurde observiert, die Mailbox ihres Handys gar mit Morddrohungen besprochen. Seit kurzem nun wird versucht, Simone Wendler und ihre Arbeitsweise auch öffentlich zu diffamieren.

Vorreiter dieser Attacke auf den Ruf der 46-Jährigen ist “Der Märkische Bote”, ein in Cottbus erscheinendes Anzeigenblatt. Am 8. August schrieb Jürgen Heinrich, Herausgeber des Blattes, dass die “Journalistin ?S.W.’ den Verhör-Stil als journalistische Methode” betreibe. Dem Präsidenten der Handwerkskammer, Werner Schröter, sei durch ihre Berichterstattung zum Cottbuser Baufilz ein “kaum reparierbarer seelischer und geschäftlicher Schaden” zugefügt worden. Unterstützung fand “Der Märkische Bote” in dem Stadtfernsehen LTV, das Bilder von Simone Wendler mit den Worten begleitete, sie bedrohe ihre Interviewpartner.

Hintergrund der Angriffe auf Simone Wendler ist ihre fortwährende Berichterstattung über Filz und Korruption in Cottbus. Dadurch war die Chefreporterin, die nach der Wende für die “Berliner Morgenpost”, den “Tagesspiegel”, die “Frankfurter Rundschau” sowie für Antenne Brandenburg gearbeitet hatte, maßgeblich an der Aufklärung des Cottbuser Bau-Skandals im Herbst vergangenen Jahres beteiligt. Die führenden Köpfe der städtischen Gebäudewirtschaft GWC hatten, so fand Wendler bei ihren Nachforschungen heraus, bevorzugt an Bekannte oder Unternehmen Aufträge vergeben, an denen die Manager selbst oder Angehörige beteiligt waren. Inzwischen hat sich die GWC, die mit 23 500 Wohnungen der größte Vermieter und auch wichtigste Bauauftraggeber ist, von ihrem Geschäftsführer Günter Thiesaat getrennt. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen Thiesaat sowie gegen zwei Manager.

In Cottbus wird nun vermutet, dass sich die derzeitigen Angriffe auf Simone Wendler darauf gründen, dass “Die Lausitzer Rundschau” erneut den Namen eines Mannes genannt hat: Helmut Rauer. Der Unternehmer, der früher hauptamtlicher Mitarbeiter im Ministerium für Staatsicherheit war, habe es vermutlich nicht gern gesehen, im Zusammenhang mit einem Bericht über Schröter genannt zu werden. Das Blatt hatte im Juli geschrieben, dass Schröter als eine Art Strohmann für seine eigene Firma, die Werner Schröter GmbH, fungiere, an der Ex-Stasi-Mann Rauer stiller Teilhaber ist.

Es sei erschreckend, sagt Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der “Lausitzer Rundschau”, dass alte Stasi-Seilschaften in Cottbus immer noch Macht und Einfluss besitzen, und auch heute noch griffen die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter zu den Methoden von damals. “Dieser Fall hat eine ganz besondere Qualität,” so Herbst. Trotzdem lasse man sich nicht einschüchtern. “Wir werden unsere Berichterstattung natürlich fortsetzen.” Auch für Simone Wendler steht außer Frage, bei entsprechenden Hinweisen weiter über die Situation in Cottbus zu berichten. “Alles andere käme einer Kapitulation der Pressefreiheit gleich.”

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